Mia Bruckmann
Buchautorin

Band 1: Anne, rette mich!


Kriminalroman, 1.  Auflage

Copyright © Mia Bruckmann 2018

Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung bedarf der ausschließlichen Zustimmung  der Autorin. Dies gilt insbesondere  für die Vervielfältigung (Romaninhalt und Coverfotos).  Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind rein zufällig. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet wurden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer. Unberechtigte Vervielfältigungen werden strafrechtlich verfolgt.





Prolog

Kleingartenanlage Waldbad, Grünwalderstraße in Stuttgart.  

Obwohl es bereits 9 Uhr war, wollte es nicht hell werden. Schummriges Licht hüllte die Umgebung in eine milchglasartige Szenerie. Es war kalt. Die Temperatur maß gerade einmal 3,3 Grad Celsius. Graue Wolken standen tief am Himmel. Sie glichen dicken Schafen mit verschmutztem Fell. Ihre Anwesenheit schien jegliche Geräusche zu dämpfen oder ganz zu verschlucken, denn von

der nahen Kräherwaldstraße waren keinerlei Motorengeräusche zu hören.  


In den Bäumen und Sträuchern der Anlage hingen vereinzelt Nebelschwaden. Wie Zuckerwatte klebten sie an den noch kahlen Ästen. Es regnete bereits seit den frühen Morgenstunden. Dicht an dicht fielen die feinen Tropfen zur Erde herab. Das Prasseln erzeugte auf dem Boden und den Laubendächern ein monotones Geräusch. Trotz der Feuchtigkeit lag ein holziger Geruch von frischen Sägespänen in der Luft, die beim Fällen alter Baumstämme am  Vortag entstanden waren. Einige der Hütten waren schlicht gehalten, andere moderner. Vereinzelt waren Dachrinnen zu sehen, die in Regentonnen mündeten. Auch von dort war ein gleichförmiges Plätschern zu hören. Zwei Lauben trugen Solarzellen auf dem Dach.


Eine davon gehörte Holger Mankowski.


Wo im Sommer frisches Gras und Blumen sprossen, lag nun ein nackter, sandiger Fußweg, auf dem sich zwischen den zahlreichen Lauben die Pfützen sammelten. Einzelne davon schmolzen zu großen Wasserlachen zusammen. Eine Amsel genoss ausgiebig ihr Morgenbad. Sie saß in der Mitte einer Lache und flatterte lange mit ihren schwarzen Flügeln. Das Wasser spritze in feinen Tröpfchen über ihr Gefieder. Immer wieder drehte sie wachsam ihr Köpfchen mit dem leuchtend gelben Schnabel, um sicherzugehen, dass sie keinen Fressfeind zu befürchten hatte, bevor sie sich erneut ihrem Vergnügen hingab.


Die Anlage war menschenleer – wie immer um diese Jahreszeit. Mitte März, der Schnee war gerade geschmolzen, konnte noch nichts in den Parzellen gearbeitet werden. Still und ruhig lag der Kräherwald um die Kleingartenanlage herum. Ein idyllischer Platz in der großen Stadt, der im Frühjahr zu langen Spaziergängen einlud und im Sommer Schatten und Kühle spendete.

Plötzlich durchschnitt ein greller Schrei die Stille.


Blass stand die Frau in der Laube, die ihrem Bekannten Holger gehörte. Sie klammerte sich

an die Lehne eines Holzstuhls, der am Esstisch stand, und krümmte sich vor Schmerzen. Die Frau ächzte. Ihre Hände zitterten. Sie hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Suchend glitten ihre Augen durch den Raum. Sie wollte sich hinlegen. Hinten, in der Ecke stand Holgers grünes Sofa.



Mit unsicheren Schritten tastete sich die Frau langsam

vorwärts. Der Schmerz ließ im Augenblick etwas nach. Nach endlos erscheinenden Minuten kam sie bei der Couch an. Entkräftet ließ sie sich in die weichen Kissen fallen. Auf der Stirn hatten sich Schweißtropfen gebildet. Ihre langen, braunen

Haare klebten ihr im Gesicht. Sie schloss ihre blauen Augen und atmete tief ein und aus. Dabei strich sie sich rhythmisch mit der rechten Hand über ihren Unterleib. Immer im Kreis herum. So hatte es ihre Mutter gemacht, wenn sie als Kind Bauchweh hatte.


Eigentlich wollte sie hier in der Laube ein entspanntes Wochenende verbringen. Holger hatte ihr den Schlüssel gegeben. Er sei für ein halbes Jahr oder geringfügig länger in New York, meinte er, und wenn sie Bock habe, könne sie die Hütte nutzen. Es sei ihm sogar lieb, denn er wolle

nicht, dass sich über den Winter irgend so ein »scheiß Penner«, wie er es ausdrückte, bei ihm einnistete. Jeder wisse ja, dass »diese Arschlöcher« sich auf diese Weise eine warme Bleibe beschafften.


Die Frau nestelte nun mit beiden Händen am Hosenknopf ihrer Jeans herum. Dieses Ding drückte ihr unangenehm in den Bauch. Sie hatte Mühe damit, denn ihre Hände zitterten immer noch unkontrolliert. Kaum war der Knopf offen,

zog sie ihre Hose ganz aus. Sofort spürte sie die Kälte. Gänsehaut überzog ihre nackten Beine. Ein Kälteschauer floss durch ihren Körper. Sie hatte

kurz zuvor, als sie die Hütte betrat, vergessen, den Stecker für die elektrische Heizung in die Steckdose neben der Türe zu stecken. Immerhin

hatte sie noch ihre warmen Socken an. Da überrollte sie die nächste Schmerzattacke. Ihre Bauch- und Unterleibsmuskeln zogen sich erneut zusammen. Es fühlte sich an, als ob ein

Tau sich in ihrem Körper befände, das zu einem Knoten zusammengezogen wurde. Fester wurde die Verschlingung und fester. Die Frau hielt die Luft

an. Sie japste. Ihr Kopf verfärbte sich rot. Stoßartig quetschte sie die Luft aus ihren Lungen und sog anschließend gepresst neuen Sauerstoff ein.


Reflexartig zog sie ihre Beine an den Körper. Ein Wimmern drang aus ihrer Kehle. Und gerade als sie das Gefühl hatte, den Schmerz nicht länger

aushalten zu können, verebbte er wieder.

Die Frau sank erschöpft in sich zusammen. Schweiß floss nun aus allen Poren. Sie rang nach Luft. Verzweiflung packte sie. Erst wenige Wochen

zuvor hatte sie erfahren, dass sie Mutter werden sollte. Der Schwangerschaftstest war binnen Sekunden eindeutig gewesen. Zwei rosa

Striche. Klar und deutlich. Im ersten Moment wusste sie damals nicht, was sie denken sollte.




Freude? Angst?


Sie hatte sich dann für einfach

akzeptieren entschieden. Ganz pragmatisch.


Ein Gotteszeichen. Eine Chance. Nun konnte sie beweisen, es gut zu machen. Besser!


Der Frau kullerten Tränen über ihr ebenmäßiges Gesicht. Ihr Kajal begann sich aufzulösen und hinterließ schwarze Streifen auf den Wangen. Dann war die kurze Erholungsphase zu Ende. Ein neuer Krampf baute sich auf. Stärker als vor wenigen Minuten. Sie wand sich von Neuem. Ein gequälter, langgezogener, hohler Ton trat über ihre zusammengepressten Lippen. Wieder

zog sie ihre Knie eng an den Körper und drehte sich hin und her. Gleichzeitig kniff die Frau ihre Augen zusammen und betete stumm. Die Engelsmächte mochten sie beschützen. Ihre Flügel über das Leben in ihr legen. Doch der Schmerz blieb. Er war unbeschreiblich. Es war in etwa so, als ob sich eine grobe Hand in ihre weiche Gebärmutter grub. Die Hand packte zu und riss an dem, was sich in ihr befand.


Gnadenlos. Hart. Die Faust, die ihr Kind gepackt hatte, ließ einfach nicht mehr los. Und dann vernahm die Frau das Seufzen. Ihr Kind wimmerte. Die Faust hatte gewonnen. Ihre Gebärmutter löste sich. Langsam sickerte das Blut zwischen

ihren Beinen aus der Scheidenöffnung. Warm und klebrig fühlte es sich an. Die Blutung wurde mit jeder Minute stärker. Schwallartig quoll der

dunkelrote Lebenssaft aus ihr heraus. Das Sofa wurde feucht und verfärbte sich. Die Hände der Frau versuchten instinktiv, das Blut zurückzuhalten,

das unaufhaltsam nach außen strömte.


Die Frau bettelte, sie flehte, sie schrie. Aber nichts und niemand halfen ihr. Das, was ihr vor Wochen als Geschenk in den Leib gelegt worden war,

wurde ihr nun von der Hand des Teufels entrissen.

In der Laube 102 der Kleingartenanlage an der Grünwalderstraße weinte die blutverschmierte Frau bittere Tränen.


»Nicht einmal das gönnst du mir, Mutter«, dachte sie, »nicht einmal das!« Die Amsel in ihrer Pfütze bekam von alledem nichts mit. Sie hatte ihr Bad

beendet und war damit beschäftigt, ihr Gefieder mit dem Schnabel zu glätten.


Die Leseprobe als PDF [ Klick ]




Sie sind interessiert, wie es weitergeht?

Bestellen Sie meine Bücher ganz unkompliziert über die unten stehenden Reseller.



Amazon


Thalia


Epubli